Auch in diesem Jahr findet im Rahmen des Mayfestes die Hip – Hop Bühne am Oranienplatz statt. Unter dem Motto „Gemeinsam gegen Rassismus, Islamophobie und Verdrängung“ beginnt am 1. Mai um 12 Uhr das Konzert, dass mit einem Line Up von lokalen Größen und überregionalen Acts auffährt. Soweit nichts Neues. Festes Ritual für die einen, neuer Magnet für zahlreiche Auswärtige, die dafür nach Berlin pilgern.
Währenddessen im Rahmen der diesjährigen 1. Mai Mobilisierung dazu aufgerufen wird, die Fahnen der kurdischen Freiheitsbewegung offensiv zu zeigen, bietet sich mit dem 36 Kingz Member und Moderator der Hip – Hop Bühne Senol Kayaci ein deutlich anderes Bild, welches den seit Jahrzehnten existierenden Burgfrieden in Kreuzberg verdeutlicht. Senol Kayaci, seines Zeichens Moderator und Kiezgröße, ist bekannter und bekennender AKP Anhänger und somit Unterstützer des Türkischen Regimes.
Auf seinem Facebookprofil finden sich, neben Likes für die AKP und DITIB – Moscheen, zahlreiche Fotos und Texte, die eine klare Unterstützung des Türkischen AKP – MHP-Regimes aufzeigen und in denen rassistische Hetze gegen Kurd*innen produziert wird. So unter anderem in einem Posting der Türkischen Botschaft was von ihm (weiter)verbreitet wurde in dem es sinngemäß heißt: „Alle Freunde und Verwandten zu einer Demo gegen die PKK Bastarde einzuladen“ weiter: „ Das alle dazu aufgerufen sind, die Ehre der Türkei und der Türkischen Republik zu retten“ und: “Wir lassen niemanden vor der Türkischen Botschaft demonstrieren“. Darüber hinaus wird mit dem Gruß der Muslim Bruderschaft („Rabia-Gruß“) vor Türkischen Fahnen gehockt, und an zahlreichen Stellen Werbung für Erdogan betrieben. Neben Bildern auf denen er als Ordner einer Demo der Türkisch -Ultranationalistsichen UETD (Union Europäisch-Türkischer Demokraten) in Salzgitter fungiert, finden sich weitere Bilder, auf denen er mit seinem Mitgliedsausweis der Allianz Deutscher Demokraten (ADD) posiert.
Die ADD ist eine Kleinstpartei mit Hauptsitz in Berlin, die im Jahr 2016 nach der Bundestagsresolution zum türkischen Völkermord an den Armeniern gegründet wurde. Die Politik der ADD richtet sich in erster Linie an in Deutschland lebende Menschen mit türkischem Background. Zum Referendum für das Präsidialsystem am 16.04.2017 machte die ADD massiv Werbung für Erdoğans AKP und forderte Stimmberechtigte dazu auf, mit „Evet“ (Ja) zu stimmen. Seit ihrer Gründung vor 2 Jahren fungiert die Partei als Ableger der AKP und betreibt deren Politik. Insofern ist es nur logisch, dass ADD Mitglieder über fließende Kontakte zum Türkischen Staat verfügen und regelmäßig als Gäste in der Botschaft der Türkei in Berlin zugegen sind. Darüber hinaus waren ADD Mitglieder als (Mit-) Organisator*innen und Ordner*innen bei AKP Veranstaltungen in Berlin tätig. Auch die Taz ging in ihrer Berichterstattung zum 1.Mai 2017 kurz darauf ein und bezeichnete Kayaci als AKP Anhänger
Wir sind uns darüber im Klaren, über welchen Status Senol Kayaci in 36 verfügt. Sei es durch seine Zugehörigkeit zu den 36 Boys (aus denen später 36 Kingz hervorgingen), die Anfang der 90er Jahre einige Nazis davon abhalten konnten, in Kreuzberg einzufallen, und / oder seine sozialen Tätigkeiten die er vor allem in der Jugendarbeit leistet. Umso wichtiger ist es, sich mit gewachsenen und etablierten Strukturen Türkischer (Ultra-) Nationalisten und Faschisten auseinanderzusetzen und alle Menschen, unabhängig von ihrem „Szenestatus“, in die Verantwortung zu nehmen. Es würde zurecht nicht zur Debatte stehen, ob bspw. ein Funktionär oder Anhänger der AfD in Kreuzberg eine Bühne moderiert, in welcher Form und welcher Art auch immer. Wir stellen hierbei die Frage, wo der Unterschied gemacht wird! Dass die AKP der AfD in rassistischer Rhetorik, Allmachtsansprüchen und ,im Falle der AFD geplanter, bei der AKP praktizierter, faschistischer Säuberungspolitik nichts nachsteht, ist unlängst bekannt.
In Zeiten in denen das Türkische Regime einen faschistischen Angriffskrieg gegen Kurd*Innen in Rojava führt und in der Türkei jeglichen Funken von Opposition eliminiert, finden wir es schon nicht mehr nur zynisch, sondern schlichtweg menschenverachtend, wenn insbesondere von Menschen, die für ihre Kurdistan-Solidaritätsarbeit in weiten Teilen Berlins bekannt sind, keinerlei Positionierung erfolgt, sondern sich schweigend eine Bühne mit denjenigen geteilt wird, die die türkische Politik und die damit einhergehenden Zustände im Land befürworten und unterstützen.
Unsere Intention diesen Text zu schreiben besteht weder in einem Basching, noch darin, gezielt Politik gegen Personen zu betreiben, sondern in dem Versuch eine (fundierte) Kritik an einer entpolitisierten Bündnispolitik und einem vorherrschenden Burgfrieden, auf Kosten von Inhalten und klaren Positionierungen, die nicht als Nebensache abgetan werden können, sondern essenziell sind, zu üben. Vor allem, wenn es um Nationalismus und Rassismus geht. Insbesondere in der aktuellen Situation, in der die oft formulierte autoritäre Formierung der Gesellschaft Schritt für Schritt voranschreitet und in der faschistische Expansionspläne, wie die der Türkei in Syrien, größtenteils schweigend zur Kenntnis genommen werden.
Natürlich sind wir uns auch darüber im Klaren, dass nicht jede/r AKP Anhänger*in automatisch Faschist*in ist. Dennoch sind sie es, die ein System stabilsieren und am Leben erhalten, welches als das bezeichnet werden sollte, was es ist: faschistisch! Umso fraglicher und kritikwürdiger ist die Moderation der diesjährigen Hip – Hop Bühne am 1. Mai.
Antifaschistische Koordination 36 | April 2018