Bericht zur antifaschistischen und internationalistischen „Defend Afrin Demonstration“

Fazit, (Selbst)-Kritik und der Versuch einer Diskussion für die kommenden Monate.

Vorab: Der folgende Bericht stellt explizit nur die Ansichten und Bewertungen von uns als Gruppe dar und steht nicht für Alle, die sich im Vorbereitungskreis der Demo befunden haben.

Am letzten Sonntag (04.02.2018) demonstrierten in Berlin mehr als 4000 Menschen ihre Solidarität mit dem Widerstand in Afrin und der Revolution in Rojava. Weiterhin wurde den gefallenen Kämpfer*innen eben jener Revolution gedacht – Şehîd namirin!
Fast zeitgleich gab es weitere Demonstrationen mit tausenden Menschen in Hamburg und Stuttgart. In Afrin selbst, waren die Straßen mit 100.000 Ḿenschen gefüllt.

Die verschiedensten Aufrufe zu einer spektrenübergreifenden Demo in Berlin, zahlten sich in diesem Fall aus. Denn Ziel war es zum einen, viele Menschen für die Demonstration zu begeistern und zum anderen die Fahnen der Freund*innen tragen zu können, was in den letzten Monaten immer wieder von den Bullen unterbunden wurde. Beides sollte als Zeichen der Verbundenheit an die Menschen in Rojava & Nordkurdistan gehen. So freuen wir uns natürlich darüber, dass zwei kurdische Sender, Live-Bilder der Demonstration z.B. in Afrin ausstrahlten. Zur Demo hatten u.a. Nav – Dem, Destan, YXK, Radikale Linke Berlin, Hände weg von Wedding, FAU Berlin, die anarchistische Bibilothek Kalabalik, und die Rigaer 94 aufgerufen. Zudem wurde die Mobilisierung von zahlreichen weiteren Gruppen unterstützt bzw. getragen. Allen voran der IL ,TOP Berlin und dem Exil-Kollektiv der Friedel 54.

Bei der Auftaktkundgebung wurde in zahlreichen Redebeiträgen die Notwendigkeit der Demokratischen Föderation Nordsyrien und der damit verbundenen Hoffnungen, Chancen und Perspektiven thematisiert. Weiter wurde die Rolle der deutschen Regierung und ansässiger Unternehmen als Kriegspartei in Kurdistan und der Türkei verdeutlicht.
Die Demonstration war von Beginn an, insbesondere im mittleren Teil, sehr kämpferisch. Zudem wurden hunderte YPG / YPJ-Fahnen getragen und mit Hilfe von Hoch- und Seitentransparenten Solidaritätsbekundungen mit der Freiheitsbewegung in Rojava zum Ausdruck gebracht.
So kam es dann auch, wie es kommen musste. Nachdem es bereits zu Beginn der Demo in der Oranienstraße zu Provokationen türkischer Regime-Fan-Boys kam, fand kurze Zeit später am Heinrichplatz ein kurzer Schlagabtausch mit zwei türkischen Faschisten statt, die zeitnah das Weite suchen mussten. Hierbei wurde unseres Wissens nach, eine Person aus der Demonstration festgenommen. Dennoch war das Verhalten der Berliner Bullen an jenem Tag eher passiv. Nachdem sie in den letzten Monaten ein faktisches Verbot für YPG/ YPJ-Fahnen durchsetzten und es immer wieder zu Festnahmen kam, war dies diesmal nicht zu beobachten. Ob die Demonstration dazu beigetragen hat, das im März 2017 erlassene Fahnenverbot, zumindest für Berlin zu kippen, kann hier noch nicht beurteilt werden. Es zeigt sich aber, dass zumindest für diese Demonstration das offensive und massenweise Zeigen der Fahnen erfolgreich umgesetzt werden konnte. Danke an Alle Personen die sich daran beteiligten.
Doch erinnern wir uns daran, dass es nicht nur das Verbot der YPG/ YPJ-Fahnen sind, die zeigen wo sich die deutsche Regierung positioniert, sondern auch das Verbot der PKK und die vermehrte Verfolgung durch die §129a und b. So freuten wir uns umso mehr über die gelungene Dachaktion von solidarischen Menschen. Hier wurde eine große PKK-Fahne gezeigt untermalt mit grünem, rotem und gelbem Rauch sowie farblich passenden Bengalos. Auch hier ein großes Dankeschön.

Kritisieren müssen wir dagegen, dass es sich einige Politiker*innen der Partei die Linke sowie den Grünen am Maybachufer nicht nehmen ließen, für kurze Zeit den Lautsprecherwagen zu entern. Warum diese Herren nicht auf den vielen Kundgebungen und Demonstrationen in den Vorwochen mit weit weniger Medienrummel anwesend waren, können sich alle denken. Wahrscheinlich spielte die Selbstprofilierung im Stammkiez eine entscheidende Rolle für diesen Move.
Anstatt Demonstrationen zu „belästigen“ wäre es weit sinnvoller euren Parlamentarier Status zu nutzen um Delegationen nach Rojava zu organisieren. Denn im Gegensatz zu Internationalisten, NGOs, und Hilfswerken verfügt ihr über den Status, der es euch ermöglicht, die Grenzen zu passieren. Das würde die Möglichkeit bieten als Beobachter*innen und gleichzeitig als Schutz für die Menschen vor Ort zu fungieren. So geschehen bei den flächendeckenden Zerstörungen durch das türkischen Militärs der Städte Amed – Sur, Cizre und Sirnak im Jahr 2015 und 2016.
Natürlich müssen wir uns hier auch selbst kritisieren. Anscheinend hätte dieser Punkt, besser in den Vorbereitungen zur Demonstration kommuniziert werden müssen. Wir werden in Zukunft mehr darauf achten.

Dennoch sehen wir positiv auf den Tag zurück. Wir bedanken uns bei allen Gruppen und Einzelpersonen, die die Demonstration unterstützt haben.
Bereits bei der Berliner Mobilisierung zur diesjährigen Oury-Jalloh-Demonstration, hat sich gezeigt, das die Arbeitsweise der dezentralen Mobilisierung manchmal effektiver ist als wochenlange Plena um einen Minimalkonsens für einen Aufruf zu finden. Durch kreative und militante Aktionen sowie Aufrufe von mehreren Gruppen sind der Aufforderung nach Dessau zu fahren hunderte Menschen gefolgt. Auch im Fall der Defend-Afrin-Demonstration hat sich diese Methode als erfolgreich erwiesen.

Falls ihr von Festnahmen wisst und / oder betroffen wart, wendet euch bitte an uns oder an die Freund*innen von NAV-Dem, so dass wir falls benötigt, Anwält*innen vermitteln können.
Vor uns liegen weitere Kämpfe. Das Klima in diesem Land wird von Tag zu Tag faschistoider und rassistischer, die damit einhergehende Mobilisierung des deutschen Mobs, wird dabei zusehends militanter und gefährlicher. Dies sollten wir nicht vergessen, sondern uns vor Augen führen, dass es immer noch darum geht lokal zu kämpfen, global zu denken und Sachen in Kontexte zu stellen.
Denn der Kampf den wir hier führen ist der Gleiche nur mit anderen Mitteln, Herangehensweisen und anderen (gesellschaftlichen) Ausgangspunkten. Wir wünschen uns für die Zukunft mehr Wechselwirkungen und Austausch bei gemeinsamen Aktionen von „kurdischen“ , „türkischen“ und „deutschen Linken“ zum Beispiel bei dem bevorstehenden AfD „Frauenmarsch“ am 17.02. vom Halleschen Tor zum Bundeskanzleramt. Auch wenn die Zeiten bitter sind, sehen wir zahlreiche neue Kampagnen und Gruppen mit Potenzial in Berlin entstehen. Seien es die Internationalistische Feministische Kampagne „Gemeinsam Kämpfen“ oder die Proteste gegen den geplanten Google Campus in Kreuzberg. Diese Kämpfe gilt es zu verbinden und zum Erfolg zu führen.

Kein Frieden mit den Feind*innen der Freiheit!

Antifaschistische Koordination 36

RBB: https://www.rbb24.de/politik/beitrag/2018/02/demonstration-gegen-tuerkische-offensive-in-syrien.html
Fotos: https://www.flickr.com/photos/pm_cheung/album/72157693047048705

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