Deutschland in den Rücken fallen – Naziaufmärsche zum Desaster machen!

Am 03.10.2020 ist es soweit. Die Neo-Nazipartei „III. Weg“ mobilisiert zu ihrem jährlichen Groß-Event, diesmal nach Berlin. Unter dem Motto: „Ein Volk will Zukunft – Heimat bewahren! Überfremdung stoppen! Kapitalismus zerschlagen!“ wollen sie im Osten Berlins (Hohenschönhausen) demonstrieren.

Eigentlich sollte der faschistische Aufmarsch Grund genug sein, um den Arsch nach Ostberlin zu bewegen. Doch wir müssen an diesem Tag nicht nur eine antifaschistische Position beziehen, sondern auch eine antistaatliche. Der 03.10. ist nicht nur für Faschisten ein besonderer Tag, sondern er ist auch für den nationalen Zusammenhalt des deutschen Staates von enormer Bedeutung. Jährt sich doch die sogenannte „Wiedervereinigung“ an diesem Tag zum 30ten Mal. Das bedeutet auch 30 Jahre politisches Schmierentheater, bestehend aus Sozialabbau, institutionellem Rassismus, einer unvorstellbaren Menge an Waffenexporten, einer Führungsrolle in der EU-Politik mit samt Troika, mörderischer EU-Außenpolitik und, und, und.

Es liegt somit in der Verantwortung der radikalen Linken, gegen Deutschland – seine Freund*innen und den Nazi-Aufmarsch mobil zu machen.

Die Grenze liegt nicht zwischen innen und außen
Sondern zwischen unten und oben
Die einen gehen Yachten shoppen
Die andern gehen unter in Booten
Wettkampf, der bestimmende Faktor in diesem System
Wer nützt? Wer wird abgeschoben?
Gewinner kann’s ohne Verlierer nicht geben
Bedeutet, die Schlacht sie zu schlagen, bleibt
Heißt, im Gegensatz zu dem
Was BILD, AfD und so’n Maaßen meinen
Nie schwarz und weiß, sondern arm und reich
Mit Nazis wird nicht diskutiert, friss oder stirb!
Es geht uns alle was an, wenn diese Welt die Besinnung verliert

[Disarstar – [Azzi Memo] bist du wach?]

Nazis aufs Maul!

Die Kleinstpartei „III. Weg“ existiert nun seit 2013. Viele ihrer Mitglieder*Innen kommen aus anderen Neo-Nazi Gruppen, Parteien oder ehemaligen Kameradschaften, wie dem Freien-Netz-Süd oder der NPD. Kurz vor dem Beginn der faschistischen Mobilmachung gegen Geflüchtetenunterkünfte, gründete sich 2015 dann ein „Stützpunkt“ in Berlin. Anfängliche Schulungen, Flyeraktionen und Konzertabende erreichten nicht wie erwünscht das Interesse der Berliner Faschisten, umso besser lief dafür die Unterstützung aus Brandenburg.

Dass der „III. Weg“ neben den Parlamenten auch die Straßen wiedergewinnen will, zeigt sich nicht zuletzt durch Uniformierung, durchchoreografierte Aufmärsche und rassistische Übergriffe wie bspw. am 01.08.2020 in Erfurt, als 3 Menschen aus Guinea von zwölf, dem „Dritten Weg“ zuzurechnenden, Faschos angegriffen und teilweise schwer verletzt wurden. Diese Übergriffe und Aktionen führen dazu, dass die Partei auch für Neo-Nazis attraktiv ist, die sich als „Straßenkämpfer*innen“ sehen.

In ihrem 10 Punkte Programm, angelehnt an das der NSDAP, sehen sie sich als „nationalrevolutionäre“ Perspektive, die die Wiederherstellung „Gesamtdeutschlands in seinen völkerrechtlichen Grenzen“ oder die „Erhaltung und Entwicklung der biologischen Substanz des deutschen Volkes“ anstrebt.

In Berlin ist es einigermaßen ruhig um Aktionen rund um den „Dritten Weg“. Letztmalig auffällig waren Akteur*innen des „III. Weg“ bei den ersten „Hygiene-Demos“ am Rosa-Luxemburg-Platz bspw. Oliver Oeltze, Matthias Fischer (Stützpunktleiter aus Brandenburg) oder Lillith Elver. Mehr Informationen zum „Dritten Weg“ in Berlin findet ihr hier.

Das Potential der faschistischen Mobilisierung ist derzeit schwer einzuschätzen. In Berlin nahmen regelmäßig Aktuer*innen der Partei an den Neo-Naziaufmärschen 2016 in Hellersdorf gegen die Notunterkünfte für Geflüchtete oder „Merkel muss Weg“ Demos am Hauptbahnhof teil. Inwieweit sich die Berliner Bedeutungslosigkeit der Partei an diesem Tag ändert, ist nicht abzuschätzen. Es findet jedoch eine bundesweite Mobilisierung statt. Bannerdrops, Aufkleber, Flyer und Plakate tauchen derzeit in Berlin in verschiedenen Stadtteilen auf. Durch die derzeitige Unberechenbarkeit faschistischer, verschwörungstheoretischer und rassistischer Mobilmachungen gehen wir aber davon aus, dass mindestens 400-500 Neo-Nazis teilnehmen werden. Auch weil Berlin ein Ausweichort für die 1. Mai Demonstration darstellt, diese sollte eigentlich in Erfurt stattfinden. Ein Jahr vorher konnten sie im sächsischen Plauen circa 500 Faschisten für ihre bundesweite Demonstration mobilisieren.

Zu erwähnen sei noch, dass Kampfsport und Selbstverteidigung zu einer wichtigen Säule des „Dritten Weg“ gehört z.B. in der sogenannten Arbeitsgruppe „Körper und Geist“ [https://www.youtube.com/watch?v=2yNKSG2YvL8]. Ebenso die Vernetzung nach Osteuropa, hier vor allem in Ungarn und Bulgarien. Auf antifaschistischen Selbstschutz ist daher auf jeden Fall zu achten!

Deutschland = Feindesland!

Das sich die Nazis „alter“ und „neuer“ Erscheinung auf den 03.10. als Tag der sogenannten „deutschen Einheit“ beziehen, verwundert bei näherer Betrachtung kaum. So markiert der 03.10. die vermeintliche Stunde Null und das Zusammenwachsen einer „geteilten und besetzen“ Nation.
Die zahlreichen Pogrome ost- und westdeutscher Nazis, Rassist*innen und / oder Anwohner*innen mit über 100 Toten in den ersten „Wendejahren“, zeichnen ein Bild, was das „Nation-Werden“ für Migrant*innen, Linke, Obdachlose und Homosexuelle bedeutete. Der wiedervereinigte „Volkswille“ schaffte National-Befreite-Zonen von den Provinzen in Sachsen bis zu den Dörfern in Mecklenburg-Vorpommern und das Recht auf Asyl und Zuflucht ab. Die damaligen Warnungen von Teilen der linken DDR-Opposition, vor einem Deutschland als imperialistische Kraft im Herzen Europas, die Ängste vor einem explosionsartigen Anstieg des Nationalismus und der damit einhergehenden Gewalt wurden und sind Realität.

Mit der sogenannten „Wiedervereinigung“ und dem Ausverkauf der ehemaligen DDR, allen voran durch die Treuhand, wurde der Weg geebnet für ein neues, erstarktes Deutschland mit imperialistischer Außenpolitik, Sozialabbau durch bspw. Hartz4 und nicht zuletzt Klassenkampf von oben. Aktuell steht das Land, welches so rühmlich aus seiner Vergangenheit gelernt habe, mit an der Spitze der weltweit führenden Industrienationen, mordet an den europäischen Außengrenzen und ist in fast jeder sich derzeit abzeichnenden Kriegssituation präsent. Deutscher Imperialismus ist dort vor Ort, wo es Ressourcen und Gebiete zu erschließen gilt. Deutsche Beamte schulen weltweit Repressionsbehörden in der Bekämpfung von Aufständen und deutsche Waffen kommen in nahezu allen schmutzigen Kriegen zum Einsatz.

Mit der Hochrüstung und Militarisierung sowohl im In-, wie auch im Ausland erzielen deutsche Unternehmen Milliarden und leisten mit dem nötigen Know-How Hilfe beim Genozid, ethnischen Säuberungen und Massenmord. Nicht zuletzt durch die Unterstützung der Türkei.
Im Inland schreitet der Klassenkampf von oben weiter voran. Steigende Alters- und Kinderarmut, Obdachlosigkeit, Wohnungsnot und der Abbau von Arbeiter*innenrechte sind dabei nur die Spitze des Eisberges.

Dieser Zustand, das scheinbare Ende der Geschichte, wird eben an jenen „Tag der deutschen Einheit“ zelebriert. Sich am 03.10. gegen Nazis zu positionieren, sollte auch bedeuten, sich gegen den gravierenden Geschichtsrevisionismus zu stellen, der von Personen wie Hubertus Knabe (Sexist, Werte Union und Leiter Stasi-Knast) oder Erika Steinbach betrieben wird. Denn die DDR war eben nicht das Folgeprojekt des Faschismus. Die FDJ nicht die Nachfolgeorganisation der Hitler-Jugend und der Stasi-Knast in Hohenschönhausen nicht das KZ-Buchenwald, sondern ein staats-sozialistisches Projekt und Konsequenz aus dem Faschismus, das wir weder zurück haben, noch glorifizieren wollen.

Warum wir als radikale Antifaschist*innen nicht nur gegen Neo-Nazis aktiv sind, sondern auch eine klare antistaatliche Haltung einnehmen müssen, wurde in der letzten Zeit nur allzu deutlich. Ist es doch eben jener Staat mit seiner Regierung, der Menschen im Mittelmeer ertrinken lässt und eine Mitschuld an den Zuständen in Geflüchtetenlagern wie Moria trägt. Ist es doch jener Staat mit seiner Regierung, der den Bullen und dem Verfassungsschutz Rückendeckung gibt bei seinem mörderischen Taten und ist es doch jener Staat, der Waffen an jede noch so menschenverachtenden Armee und Regierung in der Welt verkauft.

Antifaschismus muss unregierbar bleiben!

Doch gehen wir eine politische Ebene tiefer. In Berlin, wurden besonders von Parteien wie SPD, Grüne oder Linke viele unserer Kämpfe zerschlagen und Projekte oder Besetzungen mit aller Gewalt geräumt und zerstört. Denken wir an die York59 (2004), die Brunnenstraße 183 (2009), die Liebig 14 (2011), die Besetzungen & Proteste auf dem Oranienplatz, der Gerhard-Hauptmann-Schule und dem Pariser Platz von mehrheitlich Geflüchteten (2012 – 2014), die Friedel 54 (2017) sowie das Obdachlosen-Camp in der Rummelsburger Bucht (2020) und das Syndikat (2020).

Mordende und Übergriffige Bullen müssen keine Angst vor diesem Senat und seiner Justiz haben, da sie eben jene verteidigen und die rassistischen und sozialchauvinistischen Gesetze mit aller Gewalt durchsetzen. Da wundert es kaum, dass die Verbindungen zwischen Justiz, Bullen und organisierten Neo-Nazis deutlich sichtbar sind. Neo-Nazis wie Sebastian Thom und Tilo Paulenz tragen mittlerweile die Spitznamen „Justizwunder“, da sie seit langem als führende Köpfe des sogeannten „Neukölln-Komplexes“ machen können, was sie wollen. Und über die Bullen beim LKA Berlin, erscheint fast im Monatstakt ein neuer Skandal. Alles unter Schirrmherrschaft der SPD, Grünen und Linkspartei.

Nicht, dass wir Wissen, dass es auch vernünftige Personen innerhalb dieser Parteien gibt und Menschen aus ländlichen Gegenden meist auf eine Zusammenarbeit angewiesen sind. Jedoch sollten wir in einer Stadt wie Berlin auf unsere eigene Stärke vertrauen. Anstatt eine weitere Spaltung der radikalen Linken voranzutrieben, uns zu ignorieren und zu beleidigen, wäre es besser, ein solidarisches Miteinander zu fördern, in welchem staatliche Akteur*innen, egal welche, keinen Platz haben. Alles andere wäre ein Schlag ins Gesicht der Menschen, die tagtäglich unter dieser Politik zu leiden haben. Denn es zählt eben nicht die Politik des kleineren Übels, da diese Parteien weder das kleinere Übel, noch irgendeine zu wünschende Alternative darstellen. Sie sind Teil des Problems. Teil eines Problems, dass den Namen Kapitalismus trägt. Antifaschismus darf deshalb nicht eine identitäre Ein-Themen-Politik sein. Dadurch wurde der Protest in den letzten Jahren oft behäbig und hielt sich an moralische und rechtsstaatliche Gesetze.

Wir geben damit unsere Verantwortung fahrlässig aus der Hand und machen es uns gemütlich, da wir rein gar nichts mehr riskieren. Doch Faschist*innen und Rassist*innen jeglicher Coleur hindert man nicht am Hetzen und Morden, in dem man sich begnügt mit Protest in gesetzeskonformer „Sicht- und Hörweite“ oder auf den Staat vertraut. Dies sollten uns die bundesdeutschen Pogrome von Hoyerswerda, über Freital und Chemnitz gezeigt haben, ebenso wie die Mordserie des NSU oder die paramilitärisch organisierten Faschistengruppen aus KSK und Bundeswehr.

Heraus aus der Defensive – Antifa bleibt Angriff

Den 2. und vor allem den 3. Oktober begreifen wir als Möglichkeit revolutionäre, antistaatliche und vor allem antifaschistische Politik wieder auf die Straße zu tragen. Unser Antifaschismus ist dabei kein systemstabilisierender, sondern bedient sich der Elemente der autonomen Geschichte und nicht der Lippenbekenntnisse, wie es der Politiker*Innen-Trend „Ich bin Antifa“ nach Hanau zeigte.

Auch wenn wir in den letzten Jahren Ohnmachtserfahrungen im Bezug auf faschistische Demos in Berlin erfahren haben, sollten wir den Versuch nicht aufgeben, jeden Naziaufmarsch anzugreifen. Es gibt Momente der letzten Jahre, an die wir uns erinnern sollten. Beispielsweise beim AfD-Aufmarsch 2018, als es im Prenzlauer Berg zu einer militanten Spontandemonstration kam, brennenden Mülltonen an der Route, direkte Angriffe auf Teilnehmer*innen der AfD-Demo und einige Autos von Faschos massiv beschädigt wurden. Oder als der Aufmarsch der Identitären Bewegung im Jahr 2017 durch brennende Mülltonnen und eine größere Menschenblockade nach wenigen hunderten Metern abgebrochen werden musste. Im Nachhinein kam es noch zu Auseinandersetzungen. Oder nicht zuletzt die Proteste gegen den Rudolf-Hess-Aufmarsch in den Jahren 2017 & 2018. Dort wurde der Naziaufmarsch durch Sabotageaktionen an Bahngleisen und Menschenblockaden erfolgreich gestört. Ein Jahr später konnten die Nazis zwar laufen, jedoch gab es vielfältigen Protest im Umfeld: Menschenblockaden und brennende Materialblockaden, ein Angriff auf ein Zivi-Auto, mehrere zerstörte Naziautos sowie Flaschen- und Steinwürfe auf die Nazidemo.

Diese positiven Erlebnisse können dabei aber nicht für sich alleine stehen, sondern sind in der Gesamtheit zu betrachten. Durch den Druck der Straße, das Zusammenkommen und der kollektiven Wut können wir die kapitalistischen Verhältnisse zum kippen bringen, Naziaufmärsche direkt angreifen und die Verteidiger*Innen der Faschisten aus den Vierteln jagen.

Lasst uns zusammen kommen und gemeinsam an jeder Ecke dieser Stadt die Einheit, die Faschisten und die deutsche Leitkultur angreifen!

Dieser Beitrag wurde unter Allgemein, Antifaschismus, Antirassismus, Antirepression, Antisexismus, Internationalismus, Kiezpolitik | Freiräume, Termine | Veranstaltungen, Veröffentlichungen | Pressemitteilungen veröffentlicht. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.