Am Samstag, den 20.02. werden wir nach Brandenburg an der Havel fahren, um uns an der dort stattfindenen Antifa-Demo „fighting for twenty years“ zu beteiligen. Es wird eine gemeinsame Zug-Anreise aus Berlin geben, für die es zwei Treffpunkte gibt:
20.02.2016 | 9:45 Uhr | S-Bhf Alexanderplatz | Gleis 2
20.02.2016 | 10.15 Uhr | S-Bhf Charlottenburg | Gleis 3
Wir werden euch in den kommenden Wochen mit den neuesten Infos auf dem laufenden halten. Hier der Aufruf:
„Am 7. November 1992 wurde Rolf Schulze in Lehnin von drei Neonazis zusammengeschlagen, ertränkt und verbrannt.
Am 20. Februar 1996 wurde Sven Beuter in Brandenburg an der Havel von einem Neonazi zu Tode getreten.
Diese Morde sind nur zwei von über 180 die seit der Wiedervereinigung in der Bundesrepublik verübt wurden. Beide Fälle eint, dass die Menschen von bekennenden und organisierten Neonazis ermordet worden sind. Beide Männer mussten sterben, weil sie „kein Recht, [haben] unter der strahlenden Sonne zu leben“, wie es einer der Mörder von Rolf Schulze während der Gerichtsverhandlung verlauten ließ.
Rolf Schulze war zu seinem Todeszeitpunkt im Jahre 1992 wohnungslos und schlief häufig auf Bahnhöfen. Des Weiteren ging er keiner geregelten Arbeit nach. Dies allein machte ihn zum potentiellen Opfer. Die drei Täter sahen in ihm nur eine Belastung für die Gesellschaft und befanden daher, dass sie im Sinne dieser agieren, wenn sie ihn misshandelten und in letzter Konsequenz töteten. Aus ihrer Ideologie machten sie während der Gerichtsverhandlung keinen Hehl. Auch gaben sie offen zu in verschieden neonazistischen Gruppierungen aktiv zu sein. Dies lässt die Schlussfolgerung zu, dass ihre Handlung nicht im Affekt geschehen ist, sondern letztendlich die Konsequenz ihrer Weltanschauung ist, in der nur Menschen ein Recht zu leben haben, die einen Mehrwert für die Gesellschaft darstellen.
Ähnlich verhält es sich bei dem Mord an dem alternativen Jugendlichen Sven Beuter. Er wurde von dem noch heute in der Neonaziszene aktiven Sascha L. ermordet. Dieser versuchte zwar während der Gerichtsverhandlung Reue zu zeigen, tat dies nachweislich jedoch nur, um mit einer milderen Gefängnisstrafe davon zu kommen. Nach Beendigung dieser, machte er da weiter, wo er vor dem Mord aufgehört hatte. Seit diesem im Jahre 1996 gibt es immer wieder Gedenkveranstaltungen die versuchten, diesen nicht auf eine Auseinandersetzung von rivalisierenden Jugendgruppen zu reduzieren, sondern die politische Dimension klar zu benennen. An diese Tradition gilt es in diesem Jahr anzuknüpfen, denn solche Morde, als auch die zahlreichen Übergriffe auf Geflüchtete und deren Unterkünfte geschehen nicht von ungefähr, sondern sind die logische Konsequenz der Ungerechtigkeit des kapitalistischen Systems.
Dieses basiert auf der Ausnutzung von Vor- und Nachteilen. Wer den Vorteil des Reichtums hat, kann weitestgehend tun und lassen was er_sie will. Wer diesen Vorteil nicht hat, muss sich ausbilden lassen, um möglichst nützlich zu sein und anschließend hoffen, dass er_sie irgendwo benötigt wird. Randgruppen passen nicht in dieses System, weil sie kaum Vorteile haben, welche sie zu ihren Gunsten nutzen können oder wollen. Der Kapitalismus kennt nur zwei Größen: Kapital und Arbeit, wer das eine nicht hat, muss das andere verkaufen. Wohnungslose Personen haben nur eine sehr kleine Chance sich wieder in die normale Gesellschaft zu integrieren. Randgruppen sind fremd und kaum eine_r möchte freiwilligen Kontakt zum Fremden. Das Fremde ist unangenehm, ob es nun LGBTIs, Geflüchtete, Wohnungslose oder andere sind, sie haben keinen Platz in der Gesellschaft, sie sind nicht präsent, sie haben nur ein kleine oder gar keine Lobby. So klärt sich auch die Frage wer Schuld an der aktuellen Misslage hat. Keine_r übernimmt gern die Verantwortung, also wird sie jenen zugeschoben, welche in der öffentlichen Wahrnehmung nicht präsent sind. Soziale Gruppen werden zu Verursacher_innen stilisiert. Momentan wird dies, ohne zu hinterfragen, hauptsächlich auf geflüchtete Menschen angewendet.
Immer wieder bedienen sich namenhafte Politiker_innen der aktuellen Flüchtlingsthematik um gegen diese oder jene geflüchteten Gruppe mobil zu machen. Es wird versucht zwischen diese Menschen ein Keil zu treiben in dem zwei Gruppen geschaffen werden, zum einen die politischen Geflüchteten die vor dem Bürgerkrieg in Syrien, dem Irak und Afghanistan fliehen, und womöglich einen Mehrwert für unsere Gesellschaft haben, und zum anderen die ökonomischen Geflüchteten, die angeblich nur wegen der wirtschaftlichen Situation aus den Westbalkanländern fliehen. Ganz klar verschwiegen wird hierbei jedoch, dass gerade Länder wie Deutschland Fluchtursachen wie Krieg und Armut schaffen. Dies geschieht durch den Export von Waffen, die Unterstützung von diktatorischen und monarchistischen Regimen sowie die hemmungslose Ausbeutung von Rohstoffen, um nur einige Gründe zu nennen. Solange jedoch die oberste Maxime ist, unter allen Umständen Profit zu erwirtschaften, die Menschen gegeneinander auszuspielen und die Verantwortung für die eigenen Handlungen wegzuschieben, wird sich nichts ändern.
Die aktuelle Situation lässt sich gut mit den 1990er Jahren vergleichen als zahlreiche Menschen auf der Suche nach Schutz in die Bundesrepublik kamen. Schnell wurde für schon vorher bestehende Probleme genau diese Menschen verantwortlich gemacht. Der Hass entlud sich in Mölln, in Rostock-Lichtenhagen, aber auch in Lehnin und Brandenburg an der Havel. Die Konsequenz etwa war nicht, die Menschen vor den Übergriffen zu schützen, sondern die Asylgesetze zu verschärfen und die Polizei besser auszurüsten. Ähnliches geschieht gerade wieder, denn nahezu täglich brennen geplante Geflüchtetenunterkünfte, kommt es zu Übergriffen auf Geflüchtete und ihre Unterstützer_innen. Die Konsequenzen sind ähnlich denen in den 1990er Jahren: Verschärfung der Gesetze, Ausweitung der Liste mit den sogenannten sicheren Herkunftsstaaten, Aufstockung der Polizeibediensteten und die Forderung nach Grenzkontrollen und -zäunen.
Ebenso ist die antifaschistische Antwort der der 1990er Jahre nicht unähnlich. Der antifaschistischen Reaktion auf die rassistische Gewalt und Politik wird und wurde stark repressiv begegnet. Während in Rostock-Lichtenhagen über mehrere Tage bürgerliche Rassist_innen und Neonazis gemeinsam Unterkünfte angreifen konnten, in denen Asylbewerber_innen und ehemalige Vertragsarbeiter_innen untergebracht waren, war es möglich einer antifaschistischen Demonstration sechs Tage später mit 3.000 Polizeibediensteten zu begegnen. Es wurden Zufahrtswege nach Rostock, sowie der Bahnverkehr kontrolliert und unterbrochen, mehrere Polizei- und Bundesgrenzschutzhubschrauber kreisten über Rostock, mehrere tausend Demonstrationsteilnehmer_innen konnten noch vor Rostock festgehalten werden. Das heutige Äquivalent ist nahezu jede Woche zu beobachten, regelmäßig brennen Asylbewerber_innenunterkünfte, es ist bemerkenswert, dass es noch keine Toten gab. Wie in den 1990er Jahren ist die antifaschistische Bewegung, durch rassistische Gewalt und Repression, zur Reaktion gezwungen. Es gibt keine universell funktionierende Gegenstrategie. Damals wie heute ist man damit beschäftigt die Brände zu löschen und die Mitstreiter_innen gegen Repression zu unterstützen.
Wir werden nicht zulassen, dass Sven Beuter, Rolf Schulze und all die anderen Todesopfer neonazistischer und kapitalistischer Weltanschauung vergessen werden. Wir werden am 20. Februar gemeinsam auf die Straße gehen und zeigen, wohin Neonazismus und Kapitalismus führen – zum Mord an Menschen. Dies bedeutend für uns, dass der antifaschistische Kampf auch immer ein antikapitalistischer ist. Solange Menschen vertrieben, unterdrückt und ermordet werden, gehen wir auf die Straße. Wir kämpfen für eine Welt ohne Grenzen, in der sich Menschen frei entfalten können. In der Krieg, Unterdrückung und Ausbeutung der Vergangenheit angehören. Kommt mit uns am 20. Februar auf die Straße, gedenkt den zahlreichen ermordeten Menschen und zeigt deutlich, dass der Kapitalismus für uns keine Option ist.
Wir werden dafür kämpfen, dass den Opfern neonazistischer und kapitalistischer Gewalt erinnert wird, und aus Taten Konsequenzen gezogen werden. Dies schließt die kritische Auseinandersetzung, und Bekämpfung, des kapitalistischen Systems ein. Eine Gesellschaft welche aus der Ausbeutung der Unterschiede, vor allem den daraus resultierenden Nachteilen, basiert, wird als Folge unausweichlich die Gewalt ernten, die von den Vertreter_innen des Systems zuvor noch verurteilt worden ist. Das antifaschistische Gedenken und der damit verbundene Kampf schließt für uns auch die Auseinandersetzung mit der Abschottung Europas und die Unterstützung von Geflüchteten mit ein. Es kann nicht nur eine Spielregel des Regelbuchs bekämpft werden, die Problematik liegt im Ganzen. Wie in den 1990er Jahren werden wir dafür kämpfen, dennoch darf nicht vergessen werden, dass wir uns selbst (weiter-)bilden müssen. Antifaschistisches Handeln bedeutet nicht nur, dass man sich durch Kleidung, Aufnäher und Musik mit ihr identifiziert. Sie bedeutet vor allem geistig und körperlich fit zu sein, um auf allen Ebenen agieren zu können. Wir müssen in der Lage sein rassistischen Bürger_innen auch argumentativ entgegenzutreten, da diese keine Minderheit, sondern ein Großteil unserer Gesellschaft sind. Eine gewisse körperliche Fitness ist in Zeiten, in denen rassistische und neonazistische Gewaltäter_innen, immer freier agieren können, unabdingbar, um sich selbst und andere zu verteidigen. Es ist deswegen nicht notwendig mit Motorradhelmen auf Demos zu gehen, dennoch können Aktion und Theorie nur funktionieren, wenn sie kombiniert werden.
Deshalb: Organisiert euch! Bildet euch! Wehrt euch!
20. Februar | 11 Uhr | Antifaschistische Demonstration | Brandenburg a.d. Havel“