Pogrome und Widerstand – Zu den aktuellen Ereignissen in Nordkurdistan und in der Türkei

Nach dem Angriff auf ein Sonderkommando der türkischen Armee am Samstag, den 17.12.2016 herrscht erneut Pogromstimmung in weiten Teilen der Türkei. Bei dem Bombenanschlag in Kayseri wurden 14 Soldaten getötet und 55 weitere schwer verletzt. Bisher bekannte sich niemand, dennoch ließen die Reaktionen der AKP und ihrer Anhänger nicht lange auf sich warten. Unmittelbar nach dem Anschlag stürmten türkische Faschisten das Büro der ‚Partei der Demokratischen Völker‘ in Kayseri. Auf dem Dach hissten sie die Fahne der Grauen Wölfe und setzten das Büro in Brand. Zudem wurden alleine am vergangenen Samstag über 16 Büros der pro-kurdischen Partei HDP von einem wütenden Mob, bestehend aus Nationalisten, Faschisten und Islamisten angegriffen, verwüstet und teilweise in Brand gesetzt.

In verschiedenen Bezirken Istanbuls versammelten sich ebenfalls Nationalisten, skandierten anti-kurdische Parolen und verbrannten Fahnen der HDP. Die nationale Mobilmachung, die der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan ankündigte, scheint im vollem Gange zu sein: gestützt, befeuert und propagiert wird das ganze durch die staatstreuen Medien. So ließ CNN Türk im Nachrichtenprogramm verlauten „Angriffe auf HDP-Büros spielen im Kampf gegen den Terror eine wichtige Rolle“. Wie sich die Situation weiter entwickelt, wird sich in den nächsten Tagen und Wochen zeigen. Der türkische Staat wird weiterhin alles daran setzen jegliche Opposition auszumerzen. So wurden alleine in Kirşehir 22 HDPler festgenommen. Tendenz steigend. Wir erinnern uns, dass nachdem letzten Anschlag im Istanbuler Stadtteil Besiktas am 11.12.2016 über 235 HDP Anhänger_innen verhaftet wurden.

Der Anschlag, bei dem 38 Bullen starben und über 150 Personen teilweise schwer verletzt wurden, wird der TAK, den ‚Freiheitsfalken Kurdistans‘ zugerechnet. Zu dem Anschlag auf das türkische Sonderkommando vom 17.12.2016 meldete die Informationsstelle Kurdistan „Das Sonderkommando, das sowohl innerhalb als auch außerhalb der Landesgrenzen der Türkei zum Einsatz kommt, wurde 1965 gebildet. Seit dem Überfall auf Zypern im Jahre 1974, bei dem es zum Einsatz kam, genießt es einen besonderen Ruf. Auch im Krieg der Türkei gegen die kurdische Befreiungsbewegung kam es immer wieder zum Einsatz“. Weiter heißt es: „Nach Meldungen der türkischen Tageszeitung Milliyet kam das in Kayseri stationierte Sonderkommando während der Ausgangssperren in den Städten Cizîr (Cizre), Sûr und Nisêbîn zum Einsatz und hat sich dort ganz besonders hervor getan. Welche Rolle das Kommando z.B. in Cizîr spielte, der Stadt, in der mehr als hundert Zivilisten bei lebendigem Leib verbrannt hatten, führte Milliyet nicht aus“.

Eben jenes Kommando, das in den letzten Monaten und Jahren mitverantwortlich für Folterungen, Gräueltaten und systematische Morde in Nordkurdistan ist oder war. Ob und zu welchen Reaktionen es auf Grund der jüngsten Ereignisse Hierzulande kommen wird, ist derweil fraglich. Wie weit der Einfluss und die Machenschaften der Türkischen Republik reichen, verdeutlichen abermals die jüngst bekannt gewordenen Fälle von Spionage durch Imame des Islamverbands DITIB. Diese sollen in Deutschland lebende Anhänger_innen der Gülen – Bewegung ausspioniert und die gesammelten Informationen an ihre Vorgesetzten in Ankara weitergegeben haben.Zudem seien erneut Attentate auf Kurd_innen in Europa geplant gewesen sein.

Insbesondere der DITIB setzt in der BRD die Politik der AKP um und leistet das ideologische Rahmenprogramm, wie Schulungen für Nationalisten und Islamisten. Dazu schreibt der Verband der Studierenden aus Kurdistan „der Dachverband der DITIB (türkisch: Diyanet ișleri türk islam birliĝi) wird seit 1948 bundesweit (auch europaweit) systematisch aufgebaut. Er ist des in der Türkei beheimateten Ministeriums für Religionsangelegenheit, (türkisch: Diyanet ișleri bakanlıĝı) direkt unterstellt und wird von diesem unterhalten. Bundesweit hat die DITIB rund 1000 Einrichtungen. Diese Einrichtungen haben sowohl Gebetsräumlichkeiten als auch Räumlichkeiten in denen politische und soziale Veranstaltungen gemacht werden. Die hierarchischen Strukturen der DITIB lassen die enge Verbindung zur türkischen Regierung zum Vorschein treten. Die DITIB-Imame stehen an der Basis und sind an die Religionsattachés der Konsulate gebunden, die wiederum an die jeweiligen Vertretern in den LänderBotschaften gebunden sind. Diese Landesvertreter sind selbst an den Chef des Diyanetministeriums in der Türkei gebunden.“

Hierbei sind die Moscheen der DITIB oft Ausgangspunkt für Angriffe auf Kurd_innen und Oppositionelle und dienen der ideologischen Schulung, die wie im Fall von Dinslaken oft auch im heiligen Krieg endet. Dennoch wurden in den letzten Monaten auch Vertreter*innen von DITIB und / oder andere Anhänger*innen des Türkischen Nationalismus in der BRD und darüber hinaus konsequent angegriffen. So wurden unter anderem durch die Apoistische Jugend am 23. Oktober in Kassel ein Brandanschlag auf ein Fahrzeug verübt, welches den AKP-nahen, türkischen Organisationen UETD, DITIB, ADD, AYTK zugerechnet wird. Am 03.11.2016 griffen kurdische Jugendliche die türkische Botschaft in Paris mit Feuerwerk, Steinen und Molotowcocktails an. Dies sind nur zwei von einigen direkten Angriffen auf faschistische Institutionen in den letzten Monaten. Eine Auflistung von Aktionen im Zeitraum Juli bis November findet ihr hier!

Diese Angriffe machen deutlich, dass sich auch in der BRD und darüber hinaus Widerstand organisiert, der sich gegen die türkische Assimilationspolitik und deren Anhänger_innen richtet. Zeigen wir, dass die Menschen in Nordkurdistan, Syrien und der Türkei nicht alleine sind! Der Kampf gegen Faschismus ist international! Die Wahl der Mittel, ob sie nun friedlich oder militant sind, darf dabei keine Grenze kennen!

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